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Vergiftungen durch Kupfer im Trinkwasser
Autor: Rudolf Eife, Prof. Dr. med., Kinderklinik der Universität München.
In Deutschland sind Krankheiten aufgetreten, die auf Kupfer im Trinkwasser
zurückzuführen sind. Kupferhaltiges Wasser sollte von Säuglingen gar nicht
und von älteren Kindern und Erwachsenen nur in kleinen Mengen
aufgenommen werden….
Zeitgleich mit der zunehmenden Verwendung von Kupferrohren in der
Trinkwasserinstallation sind in Deutschland Erkrankungen aufgetreten, die keiner
der bisher bei uns bekannten Krankheiten zugeordnet werden konnten. Die Suche
nach einer Ursache und «blinde» Behandlungsversuche blieben zunächst ohne
Erfolg. 1987 wurde erstmals nachgewiesen, dass die Erkrankungen durch eine
Kupfervergiftung ausgelöst werden: Kupfer war aus der Hausinstallation
(Kupferrohre oder -boiler) in das Trinkwasser gelangt und von den PatientInnen
aufgenommen worden. Zunächst wurde nur die schwerste Form der Kupfer-
vergiftung als solche erkannt, nämlich die tödlich beziehungsweise schwer
verlaufende kupferbedingte Leberzirrhose/Leberfibrose. Damals haben wir die
Erkrankung Kupfer induzierte Leberzirrhose genannt, eine Definition, die sich als
viel zu eng erwiesen hat. In den folgenden Jahren führten weitere Befunde zur
Erkenntnis, dass die Kupfervergiftung ein breites Spektrum von Störungen auslösen
kann.
• Immunsystem: Mangel an Komplement und Interferon sowie Natural-Killer-Zell-Defizienz, andererseits Hyper Gammaglobulinämie
• Blut: Leukozytose (bis zu 60 000/µl) ohne Hinweis auf eine Entzündung und Blutzerfall (Hämolyse)
• Haut: Erytheme.
Auch diese Zeichen der generalisierten Vergiftung sind nicht spezifisch.
Die Symptome und Zeichen der Kupfervergiftung können innerhalb von Stunden oder Tagen verschwinden, wenn keine weitere
Kupferzufuhr mehr erfolgt, zum Beispiel mit der stationären Aufnahme eines Patienten in ein Krankenhaus (und damit Verlassen des
häuslichen Milieus mit Kupfer im Trinkwasser). Die Rückkehr nach Hause löst erneut Symptome und Krankheitszeichen aus oder
verstärkt sie. Schwere Kupfervergiftung hingegen rufen bleibende Schäden (zum Beispiel eine Leberzirrhose) hervor, die noch Jahre nach
Ende der Vergiftung zum Tode führen können.
Kupfer im Trinkwasser kann jeden Menschen, jedes Kind krankmachen, der es in «ausreichenden» Mengen trinkt.
In einer Familie trinkt der nicht-gestillte Säugling – bezogen auf sein Körpergewicht (KG) – mit der Flaschenmilch, die mit Leitungs-
Trinkwasser zubereitet wird, die mit Abstand grösste Menge an Trinkwasser: etwa 140 ml/kgKG/Tag (zum Vergleich: ein Erwachsener mit
rund 70 kgKG trinkt einen bis zwei Liter Flüssigkeit, also nur 14 bis 29 ml/kgKG/Tag). Durch Kupfer im Trinkwasser ist also ein das Wasser
(mit der Flaschenmilch) tatsächlich trinkender, nicht-gestillter Säugling am meisten gefährdet. Stillen bietet einen Schutz, solange ein
Säugling neben der Muttermilch zur Deckung des Flüssigkeitsbedarfs kein Trinkwasser (zum Beispiel Tee) zu sich nimmt. Die tägliche
Flüssigkeitsaufnahme – bezogen auf das Körpergewicht – nimmt mit zunehmendem Alter eines Kindes kontinuierlich ab: Ältere Säuglinge,
Kleinkinder, ältere Kinder und Erwachsene sind deshalb durch Kupfer im Trinkwasser in der Regel weniger gefährdet. Schwangere dürfen
kein kupferhaltiges Wasser trinken: Pränatal erworbene Leber- und Nierenerkrankungen durch Kupfer haben sich bereits bei Neugeborenen
nachweisen lassen.
Kupfer im Trinkwasser – gesundheitliche Störungen
Es folgt eine Übersicht über die Beobachtungen an 62 PatientInnen, deren
Untersuchungsbefunde und Krankheitsverläufe ausgewertet wurden. Kupfer im
Trinkwasser kann zu gesundheitlichen Störungen führen. Das durch Trinkwasser
aufgenommene Kupfer kann einerseits «lokale», gastrointestinale Symptome
auslösen: Übelkeit, Magenschmerzen, Erbrechen, Darmkoliken oder Durchfall. Da
diese Krankheitszeichen nicht spezifisch sind, das heißt auch durch zahlreiche
andere Auslöser (wie Infektionen) hervorgerufen werden können, werden sie fast
nie als Kupfer-induziert erkannt. Typisch ist das Auftreten der Symptome innerhalb
von Minuten bis Stunden (bei Durchfall: ein bis zwei Tage) nach der Aufnahme von
kupferhaltigem Wasser. Diese Form der Kupfervergiftung, durch Kupfer im
Trinkwasser, kann einmalig auftreten, sie kann sich aber auch über Wochen oder
Monate täglich mehrmals wiederholen, zum Beispiel bei einem Säugling nach
jeder Flasche Formula-Milch, die mit kupferhaltigem Wasser zubereitet wird.
Kupfer im Trinkwasser kann andererseits systemische, das heißt die
inneren Organe des Körpers treffende Schäden auslösen.
Wird Kupfer mit dem Trinkwasser aufgenommen, ohne gastrointestinale Symptome
hervorzurufen, oder werden die Symptome der gastrointestinalen Vergiftung
übersehen, das heißt ihre Ursache – das Kupfer im Trinkwasser – nicht erkannt,
keine Beachtung findet, kann es an folgenden Organen zu Schäden kommen:
• Leber: Störungen der exkretorischen Funktionen, Leberzellzerfall, Ausbildung von
Fibrose und Zirrhose
• Nieren: tubuläre Störungen mit Hyperaminoazidurie (Verlust von Aminosäuren)
sowie Polyurie (Wasserverlust über die Nieren)
Trinkwasser ist von Natur aus praktisch frei von Kupfer
Der Mensch deckt seinen Kupferbedarf vollständig aus der festen Nahrung (Erwachsene: etwa 1 mg/Tag). Der gestillte Säugling erhält rund
0,2 mgCu/l Frauenmilch. Formula-Milchpräparate sind so eingestellt, dass die mit «natürlichem» Trinkwasser zubereitete Flaschenmilch
etwa 0,4 mgCu/l enthält. Ist Kupfer im Trinkwasser, so erhöht sich jedoch die Kupfer-zufuhr in zumeist unkontrollierbarem Ausmass.
Trinkwasser mit einem Kupfergehalt von 1 mg/l wird – bei Aufnahme von einem Liter pro Tag – die Kupferaufnahme eines Erwachsenen
verdoppeln. Der nicht-gestillte Säugling dagegen wird durch dieselbe Kupferkonzentration der siebenfachen Kupfermenge ausgesetzt: 0,4
mg aus dem Milchpulver plus 1,0 mg aus dem Trinkwasser ergeben 1,4 mgCu/l Flaschenmilch. Von der Natur (Frauenmilch) vorgesehen
sind aber nur 0,2 mgCu/l.
Die Trinkwasserverordnung in Deutschland erlaubt einen Kupfergehalt von bis zu 3 mg/l.
Wird ein solches Wasser für die Zubereitung der Säuglingsmilch verwendet, erhält der Säugling das 17-fache (0,4 plus 3,0 = 3,4
mg/l) der von der Natur vorgesehen 0,2 mgCu/l. Diese nach der Trinkwasserverordnung erlaubte Kupferbelastung bedeutet nichts
anderes als ein «genehmigtes» Experiment an Säuglingen. Kupfervergiftungen werden heute in der Regel nicht als solche erkannt.
Deshalb ist die Zahl der tatsächlich in Deutschland durch Kupfer vergifteten Personen unbekannt.
An der gastrointestinalen Form der Vergiftung sind Erwachsene und Kinder erkrankt. Da bei einigen der Kinder die Symptome fehl gedeutet
wurden und deshalb die Vergiftung monatelang erfolgte, sind bei einigen PatientInnen zusätzlich schwere Lebererkrankungen und andere
systemische Störungen aufgetreten. Die generalisierte Vergiftung hat sich ebenfalls bei Kindern und Erwachsenen nachweisen lassen; sie
verlief bei 19 Kindern tödlich. Verstorben sind in der Mehrzahl Kinder, die in der frühen Säuglingszeit vergiftet wurden. Erkrankt und
verstorben sind nicht-gestillte, aber auch einige gestillte Kinder aus Familien, die in Häusern mit privater, aber auch mit öffentlicher
Wasserversorgung lebten.
Kupfer löst gesundheitsgefährdende und lebensbedrohliche Störungen aus!
Solange Kupfergeschirr in Haushaltungen allgemein verwendet wurde, war der Bevölkerung die Gefährlichkeit von Kupfer bekannt, und sie
hat sich durch Verzinnen des Geschirrs geschützt. Dieses Wissen ist in der Zeit zwischen der Abschaffung des Kupfer-Geschirrs und der
Verwendung von Kupfer in der Trinkwasserinstallation verloren gegangen.
Deshalb sind weder die Bevölkerung noch die Ärzteschaft vorbereitet auf das neue Problem «Kupfer im Trinkwasser». Außerdem
war den ÄrztInnen nicht bekannt, dass es eine chronische, zu systemischen Erkrankungen führende Kupfervergiftung beim
Menschen überhaupt gibt.
Für die Öffentlichkeit verschleiert wird das Problem außerdem dadurch, dass Kupfer als «erlaubtes» Element in die Trinkwasserverordnung
aufgenommen worden ist und Kupferkonzentrationen in Trinkwasser als «unbedenklich definiert» wurden, obwohl sie tödliche Erkrankungen
ausgelöst haben.
Vergiftungen durch Kupfer im Trinkwasser sind vermeidbar
Die Öffentlichkeit und insbesondere die Ärzteschaft muss um die Existenz der Erkrankungen wissen, die durch Kupfer im
Trinkwasser entstehen können und deren Symptome kennen. Das Wasser muss auf seinen möglichen Kupfergehalt überprüft
werden. Schließlich muss die Trinkwasserverordnung so formuliert werden, dass klar ersichtlich wird, dass wenn Kupfer im
Trinkwasser nachgewiesen wird, von Säuglingen erst gar nicht und von älteren Kindern und Erwachsenen nur wenn überhaupt in
kleinsten Mengen aufgenommen werden darf.
Quelle: Rudolf Eife, Prof. Dr. med., Kinderklinik der Universität München, Lindwurmstrasse 4, D-80337 München, Telefon 0049-89-5160-28054, eife@kk-i.med-uni-muenchen.de